Montag, 7. August 2023

Manuskript zu Folge 23: Das Böse existiert nicht. Die Philosophie des Aufstiegs.

Hallo Leute,

herzlich willkommen zum Blick in die Zukunft, Ausgabe 23. Heute möchte ich ein neues Projekt von mir vorstellen: Die Philosophie des Aufstiegs. Sie basiert auf zwei Säulen:

  1. Erkennen, wo wir uns im Prozess der Evolution befinden.
  2. Bewusstes Steuern unserer Entwicklung.

Das Ziel besteht darin, die nächste Stufe der Evolution schnell und einfach zu erreichen, ohne dass es zu unnötig vielen Opfern kommt.




Im ersten Teil dieser lockeren Serie geht um die Illusion des Bösen. Ich werde erklären, was die wahren Ursachen des Bösen sind und wie man sie auflösen kann.

Also, los geht’s.

Kapitel 1: Der ewige Kampf Gut gegen Böse

Seit Jahrtausenden wird die Menschheit von der Angst vor dem Bösen geplagt. Wir fürchten uns vor dunklen Mächten, vor dem Teufel und seinen Dämonen und vor Menschen, die in den Bann dieser Mächte gelangt sind. Sie könnten uns bestehlen, uns verletzten oder töten, oder noch schlimmer, sie könnten uns dazu verführen, Sünden zu begehen, sodass unsere Seelen für immer in der Hölle schmoren werden.

Aber zum Glück gibt es eine Gegenkraft: das Gute. Zwar kann das Gute das Böse nicht endgültig besiegen, aber es kann das Böse in Schach halten, es kann verhindern, dass die dunklen Mächte die Weltherrschaft übernehmen. Das Gute wird symbolisch vom Weißen Ritter verkörpert. Seine Aufgabe besteht darin, Feuer speiende Drachen zu bekämpfen und unschuldige Jungfrauen zu befreien.

 


Dieses Märchen wird heute noch in unzähligen Variationen erzählt. Man hört es jeden Tag, im Unterhaltungsprogramm ebenso wie in den Nachrichten. Die Gesichter wechseln, die Namen wechseln, aber im Kern geht es immer nur um den Kampf Gut gegen Böse.

Doch stimmt das wirklich? Gibt es wirklich einen Kampf Gut gegen Böse? Ich kann die Antwort vorweg nehmen. Nein, es stimmt nicht. Einen solchen Kampf hat es niemals gegeben. Mehr noch, die Spaltung in Gut und Böse ist eine Illusion. Wir haben immer nur gegen uns selbst gekämpft.


Kapitel 2: Gefühle sind die Grundlage von allem

Neben dem Mythos von Gut und Böse gibt es noch eine zweiten großen Irrtum: die Idee vom Menschen als vernunftbasiertes Wesen. Der Mensch trifft seine Entscheidungen nicht auf Grundlage von rationalen Überlegungen, sondern auf Grund von Gefühlen. Das kann man jeden Tag beobachten.

Nehmen wir als Beispiel den Straßenverkehr. Seit Jahren verzeichnen wir einen Trend zum SUV. In unseren Städten tauchen immer mehr dieser Pseudogeländewagen auf, obwohl man sie dort am wenigsten braucht. Welchen Sinn ergeben Allradantrieb und hohe Bodenfreiheit in einem gut ausgebauten Straßensystem? Gar keinen.


Der Sinn ist ein rein psychologischer. SUVs versprechen Sicherheit. Man sitzt hoch, umgeben von viel Blech. Man bildet sich ein, im Falle eines Unfalls besser geschützt zu sein. Die Statistik sagt etwas anderes. SUVs sind genauso häufig in Unfälle verwickelt wie andere Fahrzeugtypen, die Folgen für die Insassen sind dieselben. Würden wir unsere Entscheidungen auf Basis der Vernunft treffen, dann würden wir alle Kleinwagen mit sparsamen Motoren fahren.

Beispiel Schönheit: Warum investieren Frauen so viel Zeit und Geld in ihr Äußeres? Warum kaufen sie teure Kleider, warum tragen sie aufwendige Frisuren, warum unterziehen sie sich sogar Schönheitsoperationen? Der Grund ist Angst. Sie haben Angst vor Einsamkeit, Alter und Tod. Deshalb wollen sie möglichst jung und attraktiv erscheinen.

 


Beispiel Unterhaltung: Warum schauen sich Millionen Menschen Filme und Fernsehserien an? Warum lesen sie Romane und Kurzgeschichten? Der Grund sind natürlich die Gefühle, die darin aufbereitet werden. Es geht um Liebe und Hass, um Neid und Eifersucht. Wir erleben diese Gefühle stellvertretend durch die Film- und Romanfiguren.

Die Liste der Beispiele ließe sich noch lange fortsetzen. Es läuft immer wieder auf dieselbe Erkenntnis hinaus: Gedanken sind Hilfskonstruktionen. Es ist nicht wichtig, ob eine Frau ein teures Modellkleid trägt oder eine Kittelschürze, oder ob ein Mann ein neues Auto mit einem Stern auf der Motorhaube fährt oder einen rostigen Gebrauchtwagen. Wichtig sind die Gefühle, die wir dadurch ausleben. Gefühle sind unsere wahre Realität.

 

Kapitel 3: Wir kämpfen gegen uns selbst

Zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte zählt der Kalte Krieg, der vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Ende der Sowjetunion dauerte. Während dieser Zeit standen sich zwei Parteien gegenüber: die Westmächte unter Führung der USA und der Ostblock unter Führung der Sowjetunion.

Beide Seiten betrieben Hochrüstung. Sie entwickelten immer neue Panzer und Raketen, Millionen Männer wurden zu Soldaten ausgebildet. Es wurden sogar Atombomben gebaut, die das Potenzial besaßen, alles Leben auf der Erde auszulöschen. Zum Glück kam es nicht dazu. An manchen Orten wurde aus dem Kalten Krieg ein heißer. In Korea und Vietnam und fanden Stellvertreterkriege statt, die Millionen Opfer forderten.

Was war der Grund für den Kalten Krieg? Die einfache Antwort lautet: der Wunsch nach Sicherheit. Die Westmächte wollten sich im Kriegsfall gegen den Ostblock verteidigen, und der Ostblock wollte sich gegen die Westmächte verteidigen.

 


Aber was war der tiefere Grund für den Kalten Krieg? Beide Parteien fühlten sich vom anderen bedroht. Sie fühlten sich bedroht. Das ist die wahre Ursache. Sie hatten Angst. Angst ist ein Gefühl, und Gefühle suchen nach Ausdruck. Männer fahren deshalb protzige Autos, Frauen tragen teure Kleider, und Politiker führen Kriege – kalte und heiße.

Aber wer steht denn auf der anderen Seite? Steht dort der Teufel? Oder steht dort eine Armee aus Dämonen? Nein, da stehen Menschen wie wir. Wir kämpfen gegen unsere eigene Familie. Wir geben den anderen ein hässliches Gesicht. Wir drehen Filme über sie, wir schreiben Bücher über sie, wir nennen sie Kommunisten oder Kapitalisten. Der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan nannte die Sowjetunion einmal das Reich des Bösen. Damit hat er unfreiwillig einen tiefen Einblick in die menschliche Psyche gegeben.

 


Heute ist es nicht anders. Warum hat Wladimir Putin die Ukraine angegriffen? Weil er Angst hat. Sein Drache ist die Nato, und er hält sich für den Weißen Ritter. Jeder Krieger glaubt, dass er der Gute ist, der die Welt rettet, und sein Feind ist der Böse, der die Welt bedroht. Aber wenn beide Seiten das glauben, kann es nicht stimmen. Dieses Denken und Fühlen ist einfach nur primitiv. Es ist Ausdruck einer Zivilisation, die sich auf einer niedrigen Stufe befindet. Aber wir müssen nicht dort stehen bleiben, wir können den nächsten Schritt machen. Wir können Frieden mit uns selbst schließen.

 

Kapitel 4: Nicht kämpfen, sondern auflösen

Was kann man tun, um aus dem Kreislauf der Gewalt auszubrechen? Grundsätzlich muss man sagen, dass jeder, der angegriffen wird, das Recht hat, sich zu verteidigen. Wenn man abends durch einen dunklen Park geht und jemand stürmt mit einem Messer in der Hand auf einen zu und ruft „Ich bring dich um, du Schwein!“, dann sollte man nicht zulassen, dass man zum Opfer wird. Man sollte dem Angreifer ausweichen und ihn entwaffnen –  notfalls mit Gewalt.

Auch Staaten haben das Recht, sich zu verteidigen – so wie die Ukraine im Falle des Angriffs durch die Russen. Besser ist es aber, eine Kultur zu schaffen, in der so etwas nicht mehr passiert. Das ist die Philosophie des Aufstiegs. Erkennen, wo wir uns in der Evolution befinden, und die Entwicklung zielgenau lenken.


 

Das heißt konkret: Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass Gefühle unsere wahre Realität sind. Wir treffen Entscheidungen auf Basis von Gefühlen. Wenn jemand Angst hat – wie Wladimir Putin –, dann wird er versuchen, diese Angst zu bekämpfen – auch durch einen Krieg, den er anzettelt. Und wenn ein ganzes Volk Angst hat, dann wird es ihm folgen.

Das Wissen darüber müssen wir in unserer Kultur fest verankern. Historiker dürfen sich nicht darauf beschränken zu sagen, wer den ersten Schuss abgegeben hat und wie viele Menschen getötet wurden. Das ist nicht nur dumm, sondern auch gefährlich. Denn durch diese unvollständige Sicht der Dinge können neue Ängste entstehen. Menschen werden sagen: „Seht ihr. Das Böse existiert. Wir müssen uns dagegen schützen. Wir brauchen mehr Waffen und Soldaten.“ Und damit geht der Kampf in die nächste Runde.


 

Das Fach Geschichte besteht zu einem großen Teil auch aus dem Fach Psychologie. Letztlich ist alles nur Psychologie. Das müssen wir den jungen Menschen sagen. In einer früheren Ausgabe dieser Reihe hatte ich gefordert, in der Schule das Fach Gefühlskunde einzuführen. Den Kindern werden darin zwei Grundwahrheiten vermittelt:

1. Gefühle sind unsere wahre Realität. Sie beeinflussen unsere Wahrnehmung der Welt und sie steuern unsere Entscheidungen.

2. Man sollte seine Gefühle weder verdrängen, noch sollte man sich von ihnen beherrschen lassen. Stattdessen sollte man sie bewusst wahrnehmen und ein inneres Gleichgewicht herstellen.

 


Die Erneuerung unserer Kultur klingt ganz einfach, aber es ist eine Herkules-Aufgabe. Sie wird gewaltige Anstrengungen erfordern, und sie wird sich über eine lange Zeit erstrecken. Es ist immer leicht zu sagen: „Der andere ist schuld, der andere ist böse.“ Dadurch fühlt man sich besser, man fühlt sich überlegen.

Viel schwerer ist es, dem anderen die Hand zu reichen und gemeinsam mit ihm die nächste Stufe zu erklimmen. Aber es lohnt sich. Auf der nächsten Stufe warten unter anderem: Raumschiffe, mit denen man in Windeseile das Universum durchqueren kann, und eine Medizin, die alle Krankheiten heilt. Aber das sind Themen für andere Folgen dieser Reihe.

 

Zusammenfassung:

1. Die Menschheit steigt auf der Evolutionsleiter immer weiter empor. Diese Entwicklung kann man nicht aufhalten, aber man kann sie bewusst steuern.

2. Grundlage des Menschseins sind Gefühle, nicht Gedanken.

3. Das Böse als mythische Urkraft existiert nicht. Es ist eine Illusion.

4. Verbrechen werden aufgrund von negativen Gefühlen begangen. Man sollte sie nicht bekämpfen, sondern auflösen.

So, das war’s mal wieder für heute. Mehr zur Philosophie des Aufstiegs gibt es in den nächsten Folgen. Ich sage danke für die Aufmerksamkeit, und alles Gute wünscht eurer

Konrad Pilger